Symbolbild: "Erkenntnis steigern durch Zusammenwirken"

Auftakt einer Diskussionsreihe – Begegnung mit dem Virus – intelligent, ganzheitlich und Kind-gerecht!?

“Nicht zu wissen wie es weitergeht ist besser, als zu wissen das es nicht weitergeht?” versus “Ich versteh die Welt nicht mehr.”

Liebe Eltern,

wir wissen nicht, wie es euch so geht, aber wir haben den dringenden Bedarf nach Einordnung und Austausch. Was heute gilt ist morgen nicht mehr gültig. Entscheidungen werden aus dem Hut gezaubert und gleich wieder kassiert. Vermutlich hat sich die Hälfte der Informationen in diesem Artikel schon während des Schreibens überholt. Was sich leider nicht ändert: Die Schulen sollen in kürzester Zeit Unmögliches möglich machen, ohne gescheiten Rückhalt, Vorlauf, Ausstattung und mit teils eigenwilligen Vorgaben.
In der letzten Woche soll das Schulministerium in Gesprächen mit Verbänden (Eltern und Lehrern) zum Thema Schulöffnung und neuem Schuljahr geführt haben. Völlig überraschend sei der Vorstoß gemacht worden, analog zu Kita die Schulen noch vor den Sommerferien, womöglich schon ab dem 8.6., in den “normalen” Betrieb übergehen zu lassen. Die Verbände sollen sich gegen dieses Vorgehen ausgesprochen haben. Eine offizielle Bestätigung eines solchen Vorschlags aus dem MSB liegt uns nicht vor.
Wenn dem aber so sein sollte, fragen wir uns natürlich, auf welcher wissenschaftlichen Basis und mit welcher Intention ein solcher Vorschlag gemacht würde: Gibt es neue Erkenntnisse bezüglich der Abstandsregeln? Gelten diese nicht mehr? Was weiß man wirklich über das Infektionsrisiko von Kindern? Spätfolgen nach Erkrankung etc.. Solche kurzfristigen Vorstöße, die Aussetzung von Abstandsregeln bei wenig verbleibenden Schultagen und damit neue Infektionen in Kauf zu nehmen, führen zu Irritationen. Wir hoffen nicht, dass nun für die verbleibenden Schultage noch einmal alles neu gedacht und geregelt werden muss, was die Schulen jetzt mühsam organisiert haben. Über ungelegte Eier regen wir uns normalerweise nicht auf. Aber da wir schon so manche Sonntagabend-Überraschung erlebt haben, wollen wir präventiv denken.

Der Fokus sollte auf der Organisation der Schulöffnung nach den Sommerferien liegen, so dass nach den Sommerferien Schüler*innen wieder verlässlich unterrichtet werden können. Dies wird eine Herkulesaufgabe für die Schulen, die nun die Versäumnisse der Schulpolitik ausbaden müssen. Laut Zitat aus dem Bildungsministerin müsse die Sommerpause genutzt werden, um nach Lösungen zu suchen, zurück zum Alltag, notfalls im Container. Um die Container müssten sich die Schulleitungen kümmern … . Wir sehen die Bemühungen in den Ministerien, aber die Last muss von den Rücken der Eltern, Schüler*innen genommen und die Schulen verstärkt unterstützt werden.

Einen Schritt zurück

Es wurde zu Beginn der Coronapandemie getan was getan werden musste und alle waren sehr solidarisch. Die Politik hat gezeigt, dass sehr schnell und unbürokratisch gehandelt und geholfen werden kann. Durch Covid-19 hat sich vieles einschneidend verändert. Täglich ändern sich seitdem Einschätzungen und damit Vorgaben. Das ist gut so, anders kann ein wissenschaftlicher Prozess um einen unbekannten Virus nicht verlaufen. Wir sind nicht sorglos, sondern sehr verantwortungsvoll. Auch das ist gut so. Aber das Tempo, in dem jetzt täglich die Richtung gewechselt wird, nimmt einem den Atem. Es wird von einer Entscheidung zur nächsten gejagt, eben noch sorgsam, dann sorglos. Erst wird losgeprescht, dann zurückgezogen. Das bisher auf Sicht gefahren wurde ist klar, dass man sich vorangetastet hat auch. Das liegt darin begründet, dass das Einzige, was wir mit Bestimmtheit wissen, ist, dass wir nicht genug wissen.
Eins wissen wir aber sehr genau: Es wurde viele Jahre viel zu wenig in den Bildungssektor investiert und das fällt uns jetzt auf die Füße. Dass wir zu große Klassen haben, dass Lehrer fehlen, dass wir keine technische Ausstattung haben, um guten digitalen Unterricht zu geben, dass die Lehrer*innen dafür nicht entsprechend ausgebildet sind. Das alles war schon vor der Krise bekannt, aber jetzt trifft es uns hart. Eigentlich schade, dass es einen solchen Virus braucht, damit Bewegung in den Bildungssektor kommt.
Das jetzt aber die ganze Misere auf dem Rücken der Schüler*innen, Eltern und Schulleitungen nebst Kollegien ausgetragen wird, ist bitter. Gerade jetzt möchte man nicht in der Haut von Schulleiter*innen stecken.

Es gab so viele Soforthilfen, Selbständige hatten zügig Geld auf dem Konto etc. pp, aber wie viele Schüler*innen haben – abgesehen von Initiativen von Elternvertretungen mit engagierten Schulleitungen – bisher ein Endgerät erhalten, so dass Teilhabe am digitalen Unterricht überhaupt möglich ist? In der wievielten Coronawoche befinden wir uns jetzt? Einen nicht unerheblichen Teil der Schüler*innen trifft die Situation deutlich härter als andere, und um diese muss man sich ernsthafte Sorgen machen. Vieles ist jetzt Glückssache: Ob man Eltern hat, die unterstützen können, ob man engagierte Lehrer*innen hat, ob man an einer fortschrittlichen Schule mit ausreichend Personal lernt. Sozial gerecht ist das nicht.

Rückkehr zum regulären Schulbetrieb – Was genau ist damit gemeint?

Nach den Sommerferien gehen alle wieder in die Schule. Unterricht wie vor der Krise bleibt aber unwahrscheinlich.
Es gibt viele offene Fragen: Ist es sicher, dass Kinder im Infektionsgeschehen keine Rolle spielen? Ist es sicher, ob das Virus für Kinder und Erwachsene überwiegend unbedenklich ist? Von unbekannten Risiken und Nebenwirkungen ganz abgesehen. Von welchen Altersstufen spricht man denn, wenn man Kinder meint? Wie sinnvoll sind Tests? Muss man von einer zweite Welle ausgehen?
Jüngere Schüler können immer, Ältere vielleicht nur manchmal? Auch nicht optimal, alle Schüler haben Recht auf Bildung. Struktur und Halt, ist für alle Schüler gleich wichtig, auch wenn manche mehr Betreuung brauchen als andere. Dies ist nicht nur eine Altersfrage. Im Moment schaffen die Lehrer es in den meisten Fällen nicht, sowohl Präsenz- als auch Distanzunterricht zu geben. Hierauf sollte unbedingt das Augenmerk liegen. Über das Virus wissen wir nicht genug und mit diesem Wissen sollte man pragmatisch umgehen und sinnvolle stabile Lösungen finden. Es wäre fatal, wenn jetzt der Präsenzunterricht vorbereitet wird und der Distanzunterricht hintenüber kippt. Der Regelbetrieb wird vermutlich eine Hybridlösung aus Präsenz- und Distanzunterricht. (s. Friedrich-Ebert-Stiftung Schule in Zeiten der Pandemie – Empfehlungen für die Gestaltung des Schuljahres 2020/21). Andere Bundesländer sind digital seit langem gut aufgestellt und konnten so ihre Schüler*innen gut erreichen und bilden. NRW hängt im Vergleich mit anderen Bundesländern hinten an. Sowohl Präsenz- als auch Distanzunterricht müssen gleichermaßen vorangetrieben werden.

Was wir auf jeden Fall wissen und was unser Ziel ist: Wir sollten einen Wechsel in Richtung eines Schulbetriebs, den Kinder (v.a. kleinere) als “normal“ empfinden, vertreten. Nicht sorglos in der Begegnung mit dem Virus, aber im Sinne ganzheitlich guter Entwicklungs- und Bildungschancen für alle Kinder im Land. Es gilt, einen guten Ausgleich zwischen den verschiedenen Aspekten und Gesellschaftsgruppen zu finden.

Warum wir “die Welt nicht mehr verstehen”?

Die zuständigen Verwaltungen machen zunehmend strengere Vorgaben, die von Schul- und OGS-Leitungen widerstandslos umgesetzt werden. Wir verstehen, dass sich in diesem sensiblen Bereich vermutlich alle absichern. Aber auch diese Vorgaben und Umsetzungen gehören immer wieder angepasst und auf den Prüfstand. Diese müssen wir diskutieren und wir werden uns dafür einsetzen, dass die Schüler*innen eine menschenwürdige und ihren Bedürfnissen angepasste Lernumgebung vorfinden. Selbstredend in wissenschaftlich begleitetem Rahmen. Auch in dieser Frage müssen wir einen Konsens finden.
Während die Verbände der Kinder- und Jugendärzte seit vergangener Woche fordern, dass Kitas und Grundschulen zu einem Betrieb zurückkehren, den Kinder als normal empfinden können, während die Aerosole als Hauptübertragungsweg für das Coronavirus ausgemacht werden (und nicht die Oberflächen benutzter Gegenstände, somit auch nicht Schultische und Stühle, die verschiedene Gruppen nacheinander benutzen) und öffentliche Spielplätze wieder geöffnet sind, gilt für manche Grundschule und OGS: Maskentragen auf dem Schulhof, keine Annäherung an Kinder aus anderen Gruppen (wenn die “Gruppe“ nur ein Kind umfasst: Pech für das eine Kind). Das Verlassen des Schulgeländes mit Gruppen ist nicht mehr erlaubt. Das ist neu. Bis vor Kurzem wurden Spaziergänge oder Rollerfahrten etc. mit Kleingruppen über Wiesen oder zu Spielplätzen gemacht. Kein Teilen der Spielzeuge mit anderen Kindern. Jedes Kind spielt allein mit eigenem, mitgebrachtem Spielzeug.
Laut der neuen NRW-Coronaschutzverordnung ist ab 30. Mai 2020 auch Kontaktsport für Gruppen bis maximal zehn Personen ohne Mindestabstand im Freien zulässig. Schulkinder müssen aber auf dem Schulhof Masken tragen und dürfen nur mit Kindern aus ihrer Klasse spielen, falls die am Nachmittag noch da sind. Ballspiele sind verboten. Das waren die Probleme der letzten Woche. Diskussion aktuell – Kippen der Abstandsregeln! Auf welcher wissenschaftlichen Basis?

Wie passt das alles zusammen? Ist das richtig? Wir finden: nein. Es müssen intelligente Lösungen gefunden werden, denn Bildung ist ein hohes soziales Gut und persönliche Kontakte sind für die Entwicklung von Kindern unerlässlich.

Wir sind mehr als gespannt, wie die Gespräche in den nächsten Tagen weiter verlaufen werden. Neue Informationen pflegen wir auf unsere Homepage ein. Dieser Start ist der Auftakt einer Reihe Beiträge zum Thema, wir freuen uns auf eine inhaltsreiche, möglicherweise kontroverse aber immer zielgerichtete Diskussion.

Wir hoffen, dass alle sich mit all den neu gewonnenen Freiheiten, vor allem auch in den Ferien, verantwortungsvoll verhalten. Dann wäre schon viel gewonnen.

Vorfreude

Wie auch in der Gesamtgesellschaft, so wird natürlich auch im Vorstand der SSP kontrovers diskutiert. Infolgedessen gibt dieser Beitrag nicht die Haltung eines jeden Vorstandmitglieds wieder, was für Sie aber den positiven Effekt hat, dass Sie sich auf weitere, kontroverse Beiträge freuen dürfen.

Ihre SSP Bonn