Inklusive Gruppe vor Sonnenaufgang

Gendern – eine sachliche Aus­einander­setzung

Das Thema “Gendern” der Sprache ist für unsere Gesellschaft ein großes Thema geworden. Gerade auch für die Schulen stellt sich die Frage, ob denn “Gendern” auf die Liste der Ziele von “sprachlicher Bildung” (Entwicklung von Gender-Kompetenz) gesetzt werden sollte.

Wir meinen: Zurzeit eher noch “Nein” – bzw. nicht so, wie es gemacht und “ausprobiert” wird!

Bevor nun viele heiße Diskussionen losgetreten werden, die alle an der Sache vorbei gehen, lassen Sie uns zunächst erklären, wieso wir zu diesem Schluss kommen.

Um eines klarzustellen: die SSP Bonn, als Vertretung von Eltern von über 50.000 Schulkindern in Bonn, ist uneingeschränkt für alle Menschen da (Offenheit). Mit unseren Artikeln und Aussagen sprechen wir SIE ALLE an! Wir sind von Herzen offen für alle Menschen und respektieren jeden Wunsch auf ein passendes soziales Geschlecht (*, s.u.). In der direkten Kommunikation nehmen wir gerne darauf Rücksicht, so gut wir können!

Nachdem das geklärt ist, müssen wir aber feststellen: Gendern ist kompliziert. Ein Blick in den Leitfaden, der z.B. von Amnesty International, Schweiz, zusammengestellt wurde, (zu finden unter https://www.amnesty.ch/de/ueber-amnesty/inklusive-sprache/inklusive-sprache-uebersicht/leitfaden-inklusive-sprache-de.pdf) verdeutlicht das.

Zwar geht man in diesem Leitfaden hin und beschreibt einen “Mittelweg”, indem man sowohl “Gendern” als auch “Barrierefreiheit” aufgreift, aber letztlich handelt es sich bei dem Leitfaden vor allem um ein Dokument zum Thema “Gendern”.

Das wird auch nicht dadurch besser, dass man im Leitfaden die beschriebene Form der Sprache als “inklusive Sprache” bezeichnet. “Inklusiv”, d.h. “die Inklusion betreffend” ist ein Begriff, der genau das ausdrückt, was wir alle anstreben sollten. Oder wie es von “Aktion Mensch” formuliert wird: “Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch ganz natürlich dazu gehört. Oder anders: Inklusion ist, wenn alle mitmachen dürfen. Egal wie du aussiehst, welche Sprache du sprichst oder ob du eine Behinderung hast.”

Und genau der letzte Punkt zeigt das Problem auf.

Werfen wir einen kurzen Blick auf den Begriff “Behinderung”. Die deutsche Sprache ist SEHR konkret und präzise: “Ein Mensch ist behindert” leitet sofort zu der Frage, ob die Behinderung ein „Zustand“ ist oder eine „Aktion“. Falls letzteres, fragt man sich, durch WEN man behindert wird. Behinderte Menschen sehen sich selbst häufig als “normal”, nur “irgendwie anders als andere”. Erst durch unsere “Gesellschaft”, die immer noch “vergleicht” und durch ihr Verhalten oder Produkte, die sie produziert, Menschen ausgrenzt, entsteht “Behinderung” – fehlende Teilhabe. Dass man die “Digitalisierung” auf allen Ebenen vorantreibt, mag für viele Menschen hilfreich sein: Es gibt aber zu viele Menschen, die dadurch “behindert werden”. (z.B. auch alt gewordene Menschen, die jetzt “Behördengänge”, “Theaterkartenkäufe” oder “Zustimmung zu Vereinbarungen” nur noch “ganz leicht” über das Internet durchführen sollen – ansonsten werden solche Vorgänge schwierig bis unmöglich. Oder glaubt im Ernst jemand, “alle Menschen (in Deutschland) haben heute ein Smartphone und Internetzugang”?). Wir brauchen praktikable Wege – sowohl in der Digitalisierung als auch in der Inklusion.

Im sehr guten Artikel der taz (vom 23 Sept. 2021!, https://taz.de/Geschlechtergerechte-Sprache/!5798203, “ziemlich unsensibel”) wird auf das Grundproblem der Sprache hingewiesen: Gendergerechte Sprache ist kompliziert und in der Regel nicht barrierefrei. Barrierefreiheit ist aber – mittlerweile und völlig zu Recht – gesetzlich verankert und MUSS umgesetzt werden.

Die taz schreibt: Es ist klar, dass Menschen mit “geringen Lesekompetenzen” und “Leseungeübte” (im Artikel wird die Zahl von 40% der Bevölkerung genannt) von einer “gendergerechten Sprache”, “die sich in der Experimentierphase befindet”, ausgegrenzt und diskriminiert werden. “Es gibt keine festen Regeln. Sie” [die gendersensible Sprache] “ist uneinheitlich und widersprüchlich” (taz).

Gerade im Schulwesen MUSS es aber darum gehen, die Kinder mit guten Lese- und Sprachkompetenzen auszubilden. Das kann man zurzeit nicht, indem man formell “gendert”. Schon gar nicht, wenn man diesbezüglich Zwang ausübt. Genau diese Erfahrung machen wir derzeit in der Gesellschaft und insbesondere auch in unseren Schulen!

Die Sprache so “umbauen” zu wollen, dass nur noch “neutrale” und “unpersönliche” Formulierungen verwendet werden (“Teilnehmende”, “Lehrende Personen”, “gebährfähige Personen”, …) ist eine der schrecklichsten Varianten, denn sie “entmenschlicht” und führt zu “sächlichen Dingen” statt zu Menschen mit einer individuellen Persönlichkeit. Lesen Sie gerne noch einmal den §2 unseres Schulgesetzes, was Schule erreichen soll… (das sollte man immer mal wieder tun und sich fragen, ob Schule DAS heute noch leistet.)

Ja, auf der einen Seite wollen und benötigen wir “Gendergerechtigkeit”, wir müssen aber auf die Menschen ebenfalls Rücksicht nehmen, die damit – noch längere Zeit – nicht klarkommen werden, weil die deutsche Sprache – und unsere Gesellschaft – noch nicht beide Aspekte vereinen kann. Mit den sprachlichen “Experimenten” und der ganzen Geschlechterdiskussion verunsichern wir VIELE Menschen, vor allem unsere Kinder – das kann und darf nicht das Ziel sein. Offenheit ja, aber es gibt Themen, die “von außen” Probleme induzieren, die in ihrer Bedeutung für die Vielzahl von Menschen gar nicht derart relevant sind.

Wir sollten uns darauf konzentrieren, eine “grammatisch korrekte und klare” oder sogar eine “einfache Sprache” zu finden, um uns allen Menschen verständlich zu machen und gleichzeitig die VOLLE Inklusion anzustreben und nicht “einseitige” Sichtweisen anzunehmen. Die Offenheit für soziale Geschlechter, für den Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung, für Kritikfähigkeit, für das Recht auf Meinungsfreiheit ohne “Sanktionen” und all die guten Eigenschaften, müssen wir weiterhin hochhalten. Das Bewusstsein für Ungerechtigkeiten muss geschärft werden. Echte “Inklusion”, d.h. auch die Barrierefreiheit, sind aber gesetz(t) und richtig. Und sie betreffen deutlich mehr Menschen in unserem Lebensumfeld als man bei der Diskussion um das “gendern” berücksichtigt.

Insofern werden wir als SSP Bonn – bis es eine “nicht mehr experimentelle Form” der Sprache gibt, die das alles umfasst – wenn überhaupt, nur soweit gendern, dass es nicht in einen Konflikt mit anderen Bedarfen gerät.

So geht es nicht – dennoch stimmt die Aussage: “Liebe*r Lehrer*innen, einigen Sie sich bitte innerhalb Ihrer Schule und darüber hinaus, damit unsere Schüler*innen nicht in Konflikte geraten. Der*die Lehrer*in sollte klare Vorgaben im Rahmen einer barrierefreien Kommunikation geben und Schüler*innen mit geringen Lesekompetenzen und ungeübte Lesende nicht ausgrenzen”.

Und bitte: lesen Sie noch einmal unser Statement oben zum Thema “Offenheit”.

Nun können wir diskutieren…