Symbolbild: "Erkenntnis steigern durch Zusammenwirken"

Leistungsdruck oder Freude am Lernen – wohin soll es gehen?

Woher kommt unser Leistungsantrieb und was wählen wir für die Zukunft?

Schon seit vielen hundert Jahren sind Menschen in unserem Kulturkreis damit groß geworden, für bestimmte Handlungen belohnt und anerkannt zu werden und für andere abgelehnt oder bestraft. So war es viele Jahre lang üblich, dass Kinder gehorsam gegenüber ihren Eltern sein mussten – sonst gab es schlimme Strafen, bis hin zu körperlichen Verletzungen. Zum Glück ist das heutzutage verboten. Aber dennoch hat sich an dem Grundprinzip nichts verändert: Kinder bekommen Zuwendung und Liebe, wenn sie folgsam sind, das tun, was von ihnen erwartet wird, Leistung bringen. Für Dinge, die sie falsch machen, gibt es sehr häufig milde Formen von „Liebesentzug“. Was setzt sich in den Köpfen und Gefühlen dieser Kinder fest? „Wenn ich mich nur genug anstrenge, werde ich geliebt. Ich muss nur die richtige Leistung bringen, dann bin ich wertvoll, und werde anerkannt.“ Solche und ähnliche Gedankenformen sind in unserer Gesellschaft im Kollektiv fest verankert und gehören zu den Hauptantreibern in unserem Leben.

Wen wundert es da, dass wir in einer Leistungsgesellschaft leben? Mit diesen Überzeugungen kann die Welt kaum etwas anderes sein, als ein riesen Druckkessel.

Aber wenn wir genau hinschauen, erkennen wir, dass diese Gedankenmuster und Überzeugungen gar nicht wahr sind, sondern nur aus kindlichen und früheren Prägungen heraus entstanden. Jeder, der jetzt Kinder hat, weiß, dass er sie liebt, egal was für Blödsinn sie verzapfen. Und bei unseren Eltern war das (im Normalfall) genauso. Wenn wir sie einmal fragen, können sie uns meist auch bestätigen, dass wir für unser SEIN geliebt werden, nicht für unser TUN.

Als Eltern fällt es uns oft schwer, in Momenten, wenn Kinder nicht unseren „Erwartungen“ entsprechen, nicht zu schimpfen, zu bestrafen oder andere Konsequenzen eintreten zu lassen, die den Kindern häufig das Gefühl von abgelehnt sein vermitteln. Der Leistungsgedanke ist so tief in uns verankert, dass er auch jetzt bei den meisten Menschen  in der Erziehung durchdringt – auch bei mir, obwohl ich mich schon lange intensiv damit auseinandersetze. Und – so meine persönliche Sichtweise – unsere Wahrnehmung, dass „das Leben Leistung ist“ – kommt genau aus dieser Ursachenkette und ist keinesfalls ein unumstößliches Naturgesetz.

Wenn wir also daran etwas ändern möchten, sollten wir an diesen Glaubensmustern ansetzen und neu wählen.

Ich möchte Sie einladen, sich einmal vorzustellen, wie eine Welt aussehen würde, deren Grundgedanke lautet: „Das Leben ist Freude“. Wie fühlt sich das an? Wie wäre unser Leben, wenn wir uns nicht beweisen müssten? Wenn wir tief im Inneren wüssten, dass wir immer geliebt werden, egal, was wir tun, egal ob wir irgendwelche Anforderungen erfüllen oder nicht? Wenn Menschen ihre Arbeit aus der Freude heraus erledigen, nicht weil sie das „müssen“ – sei es nun zum Geldverdienen, um Anerkennung zu bekommen oder aus anderen Gründen? Ich bin überzeugt, dass all die Dinge – Geld, Anerkennung uvm. der Freude viel leichter folgen als dem Leistungsdruck. Dann würden wir auch im Alltag erfahren: Das Leben ist Freude.  Aber wenn wir jetzt an unseren überholten Glaubensmustern festhalten, dass es im Leben nur um Leistung geht und das an unsere Kinder weitergeben, wohin werden unsere Kinder, wird sich unsere Gesellschaft entwickeln?

Unabhängig davon hat auch die Gehirnforschung gezeigt, dass wir viel lernfähiger sind, wenn wir mit Freude lernen. Diese ursprüngliche Freude am lernen und entdecken wird den Kindern in der Schule systematisch abgewöhnt und durch ein Leistungsprinzip ersetzt, dass bei sehr vielen Kindern zu Frust oder innerem Druck führt, statt zu unbeschwertem, natürlichen Lernen.

Das aber ist es, was ich mir für unsere Kinder für die Zukunft wieder wünsche, was ich wähle, zu glauben, zu leben. Und ich würde mich freuen, wenn ich damit nicht alleine bin – denn gemeinsam haben wir auch die Kraft, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen: Ein Schulsystem, das auf Freude und Begeisterung am Lernen basiert, unseren Kindern hilft, ihre ganz individuellen Potentiale zu entfalten und sie darauf vorbereitet, eine Gesellschaft aufzubauen, wo Freude und Liebe die wichtigsten Triebkräfte sind, aus denen sich Leistung ganz natürlich entwickelt, ohne Druck und nicht als Selbstzweck. Was wählen Sie?

(Wenn Sie Kommentare zu diesem Beitrag von Dörte Winkler haben, schreiben Sie bitte eine E-Mail an buero@ssp-bonn.de, wir leiten diese E-Mail weiter…).
Frau Winkler hat sich auch bereit erklärt, wenn von Ihnen gerne jemande mit ihr aktiv werden möchte, dass sie dazu eine SSP-Arbeitsgruppe leiten würde. In diesem Fall füllen Sie bitte unser Eltern-Arbeitskreis-Formular aus (beim Arbeitskreis wählen Sie “Allgemeine Kontaktaufnahme/Frage”).