Mitwirkung einer Stadt- oder Kreisschulpflegschaft?!

Um die Frage zu klären, in wie weit und an welcher Stelle eine Stadtschulpflegschaft aus dem Schulgesetz heraus ein Mitwirkungsrecht hat – oder ist sie nur, wie das Ministerium mal behauptet hat, eine “Interessenvertretung” muss man sehr genau ins Schulgesetz (NRW) eintauchen. Genau dies soll als Argumentationskette in diesem Dokument erfolgen.

Der Text ist vielleicht nicht einfach zu verstehen, aber von grundlegender Bedeutung sowohl für die Stadt- und Kreisschulpflegschaften nach §72, Abs. 4 des SG NRW. Und damit auch für die von diesen Gremien gesetzlich verankerten Ansprechpartner (Schulträger und Schulaufsicht).

Und ja, diese Ausarbeitung stammt von einem juristischen “Laien” und soll als Diskussionsbeitrag verstanden werden. Brüche in der Argumentationskette oder Hinweise zu anderen Sichtweisen und Urteilen werden gerne angenommen. Sie müssen aber fundiert sein. Ein sachliches Gespräch über dieses Thema ist wünschenswert – gleich, wie das Ergebnis am Ende aussieht: Es sollte eine Klarheit schaffen und keiner Ideologie oder Wunschdenken folgen. In diesem Sinne:

Grundsätzliches zum Miteinander von Schulwesen und elterlichen Erziehungsrechten

 BVerfG, 06.12.1972 – 1 BvR 230/70, 1 BvR 95/71 

1972 kam es zu dem sogenannten Förderstufenurteil des Bundesverfassungsgerichts. Darin hieß es, dass der staatliche Erziehungsauftrag in der Schule, von dem Art. 7 I GG ausgehe, in seinem Bereich dem elterlichen Erziehungsrecht aus Art. 6 II GG nicht nach, sondern gleichgeordnet sei.

http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv034165.html#Rn048, C. I.

http://datenbank.flsp.de/flsp/lpext.dll/Infobase8/u/ubergang%20auf%20weiterfuhrende%20schulen/860nr8

(Grundgesetz-Text: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html)

Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG erkennt die Pflege und Erziehung der Kinder als “das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht” an. Andererseits enthält diese Vorschrift keinen ausschließlichen Erziehungsanspruch der Eltern. Der Staat ist in der Schule nicht auf das ihm durch Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zugewiesene Wächteramt beschränkt. Der staatliche Erziehungsauftrag in der Schule, von dem Art. 7 Abs. 1 GG ausgeht, ist in seinem Bereich dem elterlichen Erziehungsrecht nicht nach-, sondern gleichgeordnet. Diese gemeinsame Erziehungsaufgabe von Eltern und Schule, welche die Bildung der einen Persönlichkeit des Kindes zum Ziel hat, läßt sich nicht in einzelne Kompetenzen zerlegen. Sie ist in einem sinnvoll aufeinander bezogenen Zusammenwirken zu erfüllen.


Dieser Rechtsauffassung wird im Schulgesetz NRW dadurch Ausdruck gegeben, dass die Eltern in allen Bereichen des Schulwesens Ihre Rechte wahren können. Eine Beschränkung des elterlichen Erziehungsanspruches kann und darf – ohne Verstoß gegen das Grundgesetz – nicht stattfinden!

Daher wird auf ALLEN EBENEN des Schulsystems die Mitwirkung der Eltern definiert. Wie bei den Personalräten (oder Betriebsräten) wird hier der Begriff Mitwirkung gewählt – in Abgrenzung von “Mitbestimmung” und “Anhörung”. Das Schulgesetz NRW definiert die Rechte der Eltern innerhalb des Schulwesens.

Was bedeutet “Mitwirkung” lt. Schulgesetz NRW und welche Gremien üben diese Mitwirkung aus?

Der erste Paragraph im sogenannten “Siebten Teil” des Schulgesetzes ist der §62, wo die Grundsätze der Mitwirkung definiert werden. Diese müssen wir uns genau ansehen. Da die weiterren Aussagen sehr häufig den Begriff “dieser Teil des Gesetzes” beinhaltet, müssen wir uns die Gesetzesstruktur genauer ansehen.

  • Siebter Teil
  • Allgemein: §62-§64
  • Zweiter Abschnitt: §65-§75
  • Dritter Abschnitt: §76 – §77
  • Dann folgt der Achte Teil (§78ff)

Damit ist klar, dass alle Definitionen, die sich in den §62-§77 finden, im sogenannten “Siebten Teil” liegen.

Wir werden später noch einmal darauf zurückkommen, greifen hier aber schon einmal vor, dass nach §72, Abs. 4, gilt “(4) Schulpflegschaften können auf örtlicher und überörtlicher Ebene zusammenwirken und ihre Interessen gegenüber Schulträger und Schulaufsicht vertreten. Wer hier aus dem “zusammenWIRKEN” (s. MitWIRKUNGSorgane) konstruieren will, dass es sich bei diesen Organisationen nicht um Mitwirkungsorgane, sondern um “Interessenvertretungen” (ohne besondere Rechte) handelt, sollte einen Blick auf §72, Abs. 2 werfen, wo die “Interessenvertretung” auch für die Schulpflegschaften als Aufgabe benannt ist – und Schulpflegschaften sind definitiv im Rahmen des Gesetzes die “Mitwirkungsorgane” (aus dem “siebten Teil” des Gesetzes).

Schauen wir uns genauer an, was in §62 definiert wird.

Gesetzliche Definition der Mitwirkung

§ 62 (Fn 10)
Grundsätze der Mitwirkung

(1) Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, Schülerinnen und Schüler wirken in vertrauensvoller Zusammenarbeit an der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schule mit und fördern dadurch die Eigenverantwortung in der Schule. An der Gestaltung des Schulwesens wirken sie durch ihre Verbände ebenso wie durch die anderen am Schulwesen beteiligten Organisationen nach Maßgabe dieses Teils des Gesetzes mit.

Hier ist die Definition wichtig: “Die anderen am Schulwesen beteiligten Organisationen” “nach Maßgabe dieses Teils des Gesetztes” “wirken mit” – ja, sie wirken mit und sind nicht nur “Interessenvertretung”.

(3) Die an der Mitwirkung Beteiligten sind bei ihrer Tätigkeit in den Mitwirkungsgremien verpflichtet, die Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu beachten.

(4) Die in diesem Teil des Gesetzes aufgeführten Mitwirkungsgremien können im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu allen Angelegenheiten der Schule Stellungnahmen abgeben und Vorschläge machen. Sie haben Anspruch auf die erforderliche Information. Gegenüber der Schulleitung haben sie ein Auskunfts- und Beschwerderecht und Anspruch auf eine begründete schriftliche Antwort.

Diesen letzten Satz des Abschnittes muss man auf der Ebene der Stadt- und Kreisschulpflegschaften interpretieren als “gegenüber den Trägern und der Schulaufsicht” haben … Da die Stadt- und Kreisschulpflegschaften “im Rahmen ihrer Zuständigkeit” nach §72, Abs. 4, nicht für die Schulen selbst zuständig sind – anders z.B. als die Schulpflegschaften! – können sie nicht unmittelbar auf die Schulen zurückgreifen. Das können sie nur durch die Mitarbeit der jeweiligen Schulpflegschaften. Gegenüber den Schulträgern und der Schulaufsicht haben die einzelnen Schulpflegschaften aber – in der Regel, es mag Ausnahmen geben, wenn sie unmittelbar die eigene Schule betreffen – keine Mitwirkungsrechte. Genau dafür sind die “örtlichen und überörtlichen Mitwirkungsorgane in §72, Abs. 4 eingerichtet worden.

(5) Die Mitglieder der Mitwirkungsgremien sind bei der Ausübung ihres Mandats an Aufträge und Weisungen nicht gebunden. Sie haben über Angelegenheiten, die ihrer Bedeutung nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, auch nach der Beendigung ihrer Amtszeit Verschwiegenheit zu wahren. Einer vertraulichen Behandlung bedürfen Angelegenheiten, die einzelne Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, Schülerinnen oder Schüler oder Angehörige des nicht lehrenden Personals der Schule persönlich betreffen.

Hier ist die Verankerung der “Vertraulichkeit” definiert. Es gibt die PERSÖNLICHEN Dinge, die vertraulich sind, aber auch darüber hinaus Angelegenheiten, die ihrer Bedeutung nach vertraulich sind. Das gilt aber nicht für alle Angelegenheiten im Schulwesen. Eine klare Definition stellt das Schulgesetz nicht bereit. Grundsätzlich kann man aber davon ausgehen, dass die “Mitwirkungsorgane, die die Interessen ihrer Mitglieder vertreten” sich natürlich auch in erheblichem Umfang an die von ihnen vertretenen Personengruppen wenden dürfen, wenn es angemessen erscheint. Solange dies sich wiederum an gewählte Vertreter von Mitwirkungsgremien richtet, die ihrerseits der Vertraulichkeit unterliegen, kann es keinen Vertraulichkeitsbruch geben!

(10) Die Schule stellt den Mitwirkungsgremien die notwendigen Einrichtungen und Hilfsmittel zur Verfügung.

Auch hier kann man die Übertragung auf Schulträger und Schulaufsicht für die Stadt- und Kreisschulpflegschaften ableiten.

Die Frage, die sich immer wieder von neuem stellt: Sind die Stadt- und Kreisschulpflegschaften echte Mitwirkungsorgane und wo findet sich der Anwendungsbereich dieser Mitwirkung?

Werfen wir hier einen genaueren Blick auf die “Mitwirkung in der Schule” (§65ff SchulG NRW: “Zweiter Abschnitt”)

Hier gilt insbesondere:

§72

§ 72 (Fn 26)
Schulpflegschaft

(1) Mitglieder der Schulpflegschaft sind die Vorsitzenden der Klassenpflegschaften sowie die von den Jahrgangsstufen gewählten Vertreterinnen und Vertreter. Ihre Stellvertreterinnen und Stellvertreter können beratend an den Sitzungen teilnehmen. Bei Verhinderung von ordentlichen Mitgliedern üben sie deren Stimmrecht aus. …

(2) Die Schulpflegschaft vertritt die Interessen der Eltern bei der Gestaltung der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schule. Sie berät über alle wichtigen Angelegenheiten der Schule. Hierzu kann sie Anträge an die Schulkonferenz richten. Die Schulpflegschaft wählt die Vertretung der Eltern für die Schulkonferenz und die Fachkonferenzen. Die Eltern können über die Bildungs- und Erziehungsarbeit auch unter sich beraten.

Überträgt man diesen Absatz auf die “Stadt- und Kreisschulpflegschaften” kommt man dazu, dass die Stadt- und Kreisschulpflegschaften sich über die Bildungs- und Erziehungsarbeit mit ihren jeweiligen Schulpflegschaften beraten können. Im Rückgriff auf die jeweiligen Schulpflegschaften können sich diese “örtlichen und überörtlichen Mitwirkungsorgane” dann natürlich auch direkt an die Eltern wenden.

(3) Die Schulpflegschaft kann eine Versammlung aller Eltern einberufen. Die Elternversammlung lässt sich über wichtige Angelegenheiten der Schule unterrichten und berät darüber.

Auch hier kann man interpretieren: “Die Stadt- und Kreisschulpflegschaft kann eine Versammlung aller Schulpflegschaften einberufen. Diese Versammlung lässt sich über wichtige Angelegenheiten der Schulträger und der Schulaufsicht unterrichten und berät darüber” – und Vertraulichkeit ist da kein Hindernis, denn sie ist durchgängig gegeben.

(4) Schulpflegschaften können auf örtlicher und überörtlicher Ebene zusammenwirken und ihre Interessen gegenüber Schulträger und Schulaufsicht vertreten.

Hier wird nicht nur definiert, dass es “Kreis- und Stadtchulpflegschaften geben kann”, die “ebenso wie die Schulpflegschaften (nach Abs.2)” als Mitwirkungsorgane (im siebten Teil des Gesetzes) “die Interessen der Eltern” vertreten – hier allerdings wird definiert, dass ihre “Zuständigkeit” sich auf die Schulträger und die Schulaufsicht bezieht.

Wie diese Mitwirkung beim Schulträger aussieht, ist in §76 nicht abschließend definiert. Allerdings kann man auch den

§76: “Schule und Schulträger wirken bei der Entwicklung des Schulwesens auf örtlicher Ebene zusammen. Die Schule ist vom Schulträger in den für sie bedeutsamen Angelegenheiten rechtzeitig zu beteiligen.”

Hier ist eine weitere Erwähnung der anderen Mitwirkungsorgane nicht erforderlich, denn die “Unterrichtung” ist bereits in §62 Abs. 4 umfassend definiert: Sie können “zu allen Angelegenheiten der Schule Stellungnahmen abgeben und Vorschläge machen. Sie haben Anspruch auf die erforderliche Information.” und “Gegenüber der Schulleitung haben sie ein Auskunfts- und Beschwerderecht und Anspruch auf eine begründete schriftliche Antwort.” In §76 wird diese Informationspflicht auf “die Schulen” (in der Regel vertreten durch die Schulleitungen) erweitert, die ihrerseits die im Grundgesetz verankerten Rechte der Eltern zu berücksichtigen haben.