Impfpflicht gegen Masern ab 2020 für Schulanfänger und ab 2021 für alle? [überarbeitet]

In der Ferienzeit werden immer wieder Beschlüsse gefasst, von denen man den Eindruck hat, dass der Termin nicht ganz zufällig gewählt wurde (in NRW gingen die Sommerferien vom 15.7.-27.8.2019, nur Bayern und Baden-Würtemberg hatten zum Stichtag noch keine Ferien).

Um was es geht…

Diesmal geht es um einen Gesetzentwurf zur Masern-Impfpflicht für Kinder, die in die Kita, zu Tagesmüttern oder in die Schule kommen (soll ab März 2020 gelten). Dieser wurde vom Kabinett am 17.7.2019 beschlossen. Es gibt Befürworter und Gegner dieser Impfpflicht. Inhaltlich wollen wir als Stadtschulpflegschaft hier nicht Stellung beziehen. Aber wir möchten hinweisen, dass es in dieser Frage Bewegung und möglicherweise einen Mangel an Sachlichkeit gibt. Manche Eltern werden den Beschluss des Kabinetts während der Ferienzeit vielleicht auch nicht mitbekommen haben.

“Der Gesetzentwurf sieht vor, dass alle Kinder beim Eintritt in die Schule oder den Kindergarten beide, von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Masern-Impfungen vorweisen müssen.” (vgl. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/impfpflicht.html, BMG)

Impfungen vorweisen müssen? Nein, natürlich nicht. Und es geht auch “nur” um Masern, nicht aber um die “von der StiKo (ständigen Impfkommission) empfohlenen Impfungen” (Steht oben auch nicht! Dazu jedoch am Ende des Textes noch eine Anmerkung*). Im Gesetzentwurf ist der Nachweis einer Impfung nur EIN Weg. Das wird weiter unten klar.

Dass der GesetzENTWURF vom Kabinett beschlossen wurde, sagt noch nicht, dass er schon ein gültiges Gesetz wäre, aber auch diesen Schritt übergehen viele Medien. (Wer hinter manche Abläufe dieses Gesetzentwurfes schauen möchte, kann unter https://medwatch.de/2019/05/09/jens-spahn-per-boulevard-zur-masern-impfpflicht einen – zugegebenermaßen teilweise polemischen – Artikel finden, in dem auch klar wird, dass selbst Fachleute den vorgeschlagen Weg nicht für empfehlenswert halten – aber darum geht es hier nicht).

Es gibt nach wie vor heiße, emotionale Diskussionen um das Thema – auch innerhalb der Elternschaft – und eines ist klar: mit einer “schnellen, oberflächlichen Betrachtung” oder dem “Nacherzählen” der “üblichen Meinungen” wird man sich dem Problem sicher nicht nähern können. Dennoch wird das alles vermutlich nur eine Formsache sein, denn der Bundestag soll “noch in diesem Jahr” über den Gesetzesentwurf von Herrn Spahn beschließen. “Nach dem Kabinett muss noch der Bundestag zustimmen. Die Länderkammer kann das Gesetz nicht stoppen. Laut Bundesregierung ist der Entwurf im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig.” (aus: https://www.tagesschau.de/inland/impfpflicht-masern-gesetz-101.html).

Ein Blick in die Feinheiten…

Aber um etwas genauer und tiefer in den Gesetzentwurf hineinzusehen: “Kinder, die schon jetzt im Kindergarten und in der Schule oder in anderen Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden, müssen den Nachweis bis zum 31. Juli 2021 erbringen. Wurde die Krankheit schon einmal durchlitten, kann der Nachweis durch ein ärztliches Attest erbracht werden.” (aus BMG). Hierzu lesen Sie vielleicht auch https://www.berlin.de/special/gesundheit-und-beauty/gesundheit/ratgeber/3784054-212-masern-bin-ich-geimpft-oder-nicht.html (der Artikel dient der Information, den Wahrheitsgehalt können wir nicht prüfen).

Zitat: “Gleiches gilt für Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen oder medizinischen Einrichtungen tätig sind wie Erzieher, Lehrer, Tagepflegepersonen und medizinisches Personal (soweit diese Personen nach 1970 geboren sind). Auch Asylbewerber und Flüchtlinge müssen den Impfschutz vier Wochen nach Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft nachweisen.” (BMG).

“Ausnahmen gelten für Menschen, die einen ärztlichen Nachweis vorlegen können, dass bei ihnen eine Impfung aus gesundheitlichen Gründen nicht ratsam ist. Bei Menschen, die vor 1970 geboren sind, entfällt die Impfpflicht ebenfalls. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Masern schon einmal durchlitten haben, ist bei ihnen sehr hoch.” (vgl. “Tagesschau“)

“Eltern, die ihre in Gemeinschaftseinrichtungen betreuten Kinder nicht impfen lassen, werden künftig eine Ordnungswidrigkeit begehen und müssen mit Bußgeldern in Höhe von bis zu 2.500 Euro rechnen. Das Bußgeld kann auch gegen Kindertagesstätten verhängt werden, die nicht geimpfte Kinder zulassen.” (s. BMG)

Auswirkungen am Rande?

Einige Beiträge im Internet fangen an darüber nachzudenken, ob nun auch der “Rahmenhygieneplan für Ferienfreizeiten” nicht entsprechend angepasst wird. Es steht die Frage im Raum, ob aus dem Gesetz dann auch hergeleitet werden kann, dass auch bei Ferienfreizeiten (die in “Gemeinschaftseinrichtungen stattfinden”) der Nachweis erbracht werden muss. Für NRW haben wir bisher keine speziellen Anweisungen für “Ferienfreizeiteiten” gefunden, so wie sie in anderen Bundesländern existiert. Vermutlich gilt jedoch der Rahmen-Hygieneplan für Kinder- und Jugendeinrichtungen NRW auch in diesem Fall. Im Plan für unser Bundesland findet sich noch kein entsprechender Hinweis – aber, dass Ferienfreizeiten in Gemeinschaftseinrichtungen durchgeführt werden, ist naheliegend. Nun, dieser Aspekt dürfte nur noch für eine Übergangzeit ein Thema sein: Spätestens ab 31. Juli 2021 müssen ja alle Kinder, die der Schulpflicht unterliegen, den “Impfnachweis erbringen”.

Informieren Sie sich bitte weiter, klären Sie offene Fragen bei Bedarf auch in der Schule (auch dafür sind Sie in der Elternschaft organisiert!) und beobachten Sie die weiteren Entwicklungen – vor allem, ob aus dem Gesetzentwurf überhaupt ein (gleich lautendes) Gesetz wird. Noch ein Tipp aus eigener Erfahrung: Bei allen Impfungen sollte man sich vorab informieren, WELCHEN Impfstoff der Arzt verwendet, denn da gibt es sehr große Unterschiede.

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Anmerkungen zur StiKo-Empfehlung

Unter Impfempfehlungen_der_StiKo.2019-2020 findet man die relevanten Informationen der StiKo, z.B. im Epidemiologisches Bulletin 34/2019:

Zitat daraus: “Der Impfkalender für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene (s. Tab. 1, S. 316) umfasst Impfungen zum Schutz vor …, Masern, Mumps, Röteln (MMR), …” und “Soweit Kombinationsimpfstoffe verfügbar sind und Empfehlungen der STIKO dem nicht entgegenstehen, sollten Kombinationsimpfstoffe verwendet werden, um die Zahl der Injektionen möglichst gering zu halten.”

Derzeit scheint es – entsprechend der Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes (RKI) und der StiKo – keinen reinen Masern-Impfstoff mehr zu geben. Die Tabelle des Paul-Ehrlich Institutes (PEI), weist nur einen reinen Masern-Lebendvirus-Impfstoff aus, der jedoch “nicht mehr vermarktet” wird (vgl. https://www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoff-impfstoffe-fuer-den-menschen/masern/masern-node.html).

Die Entscheidung für eine “Masern-Impfpflicht” ist also faktisch eine Entscheidung für eine Impfpflicht gegen Masern-Mumps-Röteln? Wie gesagt, inhaltlich wollen wir hier nicht zu einer Frage “Impfen sinnvoll oder nicht” aufrufen oder beitragen. Aber wenn, dann sollte man doch wenigstens sachlich und mit echten Informationen diskutieren, oder?

[Der oben stehende Text wurde am 17.9.2019 überarbeitet, um die Bedeutung des Gesetz-ENTWURFes deutlicher klarzustellen und die Quellen des RKI und PEI einzubinden. Dieser Artikel stellt nicht unbedingt die Meinung des gesamten SSP-Vorstandes dar. Autor dieses Artikels ist A.Beutgen.]